06.07.2021

Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzwirtschaft

Die Europäische Zentralbank (EZB) und der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) haben einen gemeinsamen Bericht vorgelegt, indem eine größere Zahl an Faktoren genauer untersucht wird, die den Klimawandel begünstigen. Auch wird der Frage nachgegangen, wie sich diese Faktoren auf Millionen Unternehmen weltweit und Tausende Finanzunternehmen in der EU auswirken. Die Ergebnisse belegen, dass klimapolitische Maßnahmen und ein wirtschaftlicher Wandel unerlässlich und dringend erforderlich sind. „Damit werden nicht nur die Ziele des Pariser Klimaabkommens erfüllt, sondern auf lange Sicht auch die Schädigung der Wirtschaft, der Unternehmen und der menschlichen Existenzgrundlage eingedämmt“, so Christine Lagarde, Präsidentin der EZB und Vorsitzende des ESRB. In dem Bericht werden finanzielle Engagements auf granularer Ebene denjenigen Faktoren zugeordnet, die den Klimawandel begünstigen. Dabei zeigen sich drei Formen der Risikokonzentration:

Überschwemmungen, Brände, Hitze und Dürre 
Erstens konzentriert sich die Anfälligkeit für physische Klimarisiken auf der regionalen Ebene. Der Analyse zufolge werden Flussüberschwemmungen in der EU in den kommenden zwei Jahrzehnten der weitverbreitete Risikofaktor mit der größten wirtschaftlichen Relevanz sein. In einigen Regionen kommt eine starke Anfälligkeit für Flächenbrände, Hitze und Dürre hinzu. Im Euro-Währungsgebiet entfallen rund 30 % aller Kreditforderungen von Banken gegenüber nichtfinanziellen Unternehmen auf Firmen, die mehreren dieser physischen Risiken ausgesetzt sind. 

Risikokonzentrationen in einzelnen Branchen
Zweitens konzentrieren sich Kreditforderungen gegenüber emissionsintensiven Unternehmen nicht nur auf einzelne Wirtschaftssektoren, sondern auch innerhalb der Sektoren selbst. So machen Forderungen an Unternehmen mit hohen Treibhausgasemissionen 14 % der gesamten Bilanz des Bankensektors im Euroraum aus. Zwar betreffen sie hauptsächlich das verarbeitende Gewerbe, den Elektrizitätssektor sowie die Transport- und Baubranche, doch schwanken sie auch innerhalb der Sektoren recht stark. Folglich könnte es zu Neubewertungen an den Finanzmärkten kommen, wenn sich der große Abstand zwischen den Emissionsintensitäten verkleinert. 

Geringe Taxonomie-Quote
Drittens konzentriert sich die Anfälligkeit für Klimarisiken bei bestimmten Finanzintermediären in Europa. Rund 70 % der Kreditforderungen des Bankensystems gegenüber Firmen, die in den kommenden Jahrzehnten einem hohen oder steigenden physischen Risiko unterliegen, befinden sich im Portfolio von gerade einmal 25 Banken. Gleichzeitig dürften insbesondere Investmentfonds Neubewertungen am Finanzmarkt ausgesetzt sein, die aus Transitionsrisiken entstehen können, denn über 55 % der Investitionen stehen in Zusammenhang mit emissionsintensiven Unternehmen. Hingegen entsprechen Schätzungen zufolge lediglich 1 % der von Investmentfonds gehaltenen Vermögenswerte der EU-weiten Klassifizierung für nachhaltige Anlagen (EU-Taxonomie). 

Steigende Kredit- und Marktrisiken durch Klimawandel
Die langfristige Szenarioanalyse für Banken, Versicherer und Investmentfonds in der EU lässt den Schluss zu, dass Kredit- und Marktrisiken zunehmen könnten, wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung wirksam einzudämmen. Dem prognostizierten Szenario zufolge, in dem modelliert wird, was passieren würde, wenn der Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft ungeordnet verliefe, dürften Verluste aufgrund von physischen Risiken in etwa 15 Jahren im Vordergrund stehen. Davon besonders betroffen sind Unternehmen mit hohen Emissionen. In der Folge könnte das weltweite BIP bis Ende des Jahrhunderts um bis zu 20 % schrumpfen, sollten sich die Gegenmaßnahmen als unzureichend oder unwirksam erweisen.