13.10.2020

Strukturwandel ermöglichen und Risiken begrenzen

Die globale Corona-Pandemie hat im ersten Halbjahr 2020 zum schwersten Wirtschaftseinbruch in Deutschland seit Jahrzehnten geführt. Weltweit haben Regierungen und Zentralbanken umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um die Wirtschaft, Arbeits- und Finanzmärkte zu stabilisieren. „Das deutsche Finanzsystem hat sich als stabil erwiesen. Bislang hat es in der Corona-Pandemie seine zentralen Funktionen erfüllt“, sagte Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2020. Im weiteren Verlauf der Pandemie dürften vermehrt Insolvenzen im Unternehmenssektor auftreten. Das erfordert eine ausreichende Vorbereitung. Um Auswirkungen auf die Kreditvergabe zu mindern, sollten die Banken ihre Kapitalpuffer nutzen. Nach Ansicht der Bundesbank zahlen sich die nach der globalen Finanzkrise beschlossenen Reformen nunmehr aus: Die Banken seien besser kapitalisiert, hätten zusätzliche Kapitalpuffer und könnten diese flexibler nutzen. Zukünftig werde es darum gehen, bestehende Verwundbarkeiten zu begrenzen, teilte die Bundesbank mit.

Der Genesungsprozess der internationalen Wirtschaft dürfte gleichwohl einige Jahre in Anspruch nehmen. Das BIP in der Eurozone und in den USA wird Ende 2021 noch um 3,5 bzw. 2 Prozentpunkte unter dem Niveau von 2019 bleiben. So wären mindestens drei Jahre erforderlich, um das Produktionsniveau von vor der Krise wieder zu erreichen. Das prognostiziert der Kreditversicherer Coface. Weltweit erwartet Coface über die zwei Jahre 2020 und 2021 im Vergleich zu 2019 ein Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um 32%, für Europa um 22%.

Bislang zeigen sich die Spuren der Krise noch nicht in steigenden Insolvenzen im Unternehmenssektor. Hierfür sind nicht zuletzt krisenbedingte staatliche Maßnahmen und Sonderregelungen verantwortlich, insbesondere das vorübergehende Aussetzen der Insolvenzantragspflicht. Künftig dürften die Zahl der Insolvenzen und Marktaustritte von Unternehmen jedoch zunehmen. Verlaufen diese Anpassungen ähnlich wie in der Vergangenheit, dürfte dies für die deutschen Banken aber verkraftbar sein, so die Einschätzung der Deutschen Bundesbank.
Es sind aber auch Szenarien möglich, in denen Insolvenzen und die damit verbundenen Kreditausfälle unerwartet stark steigen. Dies würde die Kapitalquoten der Banken belasten. Die Banken könnten dann ihre Kreditvergabe einschränken, um die vom Markt und der Aufsicht geforderten Eigenkapitalquoten einzuhalten. Dadurch würde die wirtschaftliche Erholung gebremst oder ein Wirtschaftseinbruch verschärft. Der Schlüssel zu einer guten Vorbereitung auf steigende Insolvenzen liegt für Banken, Politik und öffentliche Verwaltung darin, ausreichende administrative Kapazitäten zu schaffen, erfahrenes Personal bereitzustellen und die Vereinfachung von Insolvenzverfahren zu prüfen.

Ein funktionierendes Finanzsystem wird für den bevorstehenden Strukturwandel zentral sein. Mit der Zeit werden die künftigen wirtschaftlichen Strukturen nach und nach sichtbar werden. „Anders als in der globalen Finanzkrise geht es nicht darum, das Finanzsystem zu reparieren, sondern mithilfe des Finanzsystems Anpassungen in der Realwirtschaft zu ermöglichen“, betonte Buch. Das erfordere stabile Banken und funktionierende Anleihemärkte, aber auch die Finanzierung von Innovationen und Investitionen durch Eigenkapital.

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Dr. Stefan Hirschmann
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